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Kapitel 33
Tja, so war das. Das hatte ich gemeint in so ungefähr, als ich Giselle gegenüber äußerte, mein damaliger Herr habe mich mit dreizehn Jahren vergewaltigt. Ihr wißt schon, als wir uns im Cafe über den Tisch beugten, bis sich unsere Gesichter beinahe berührten.
Diese
schonungslose Offenheit nahm sie eigentlich erstaunlich gelassen auf. In ihren
Zügen malte sich eher Verblüffung über diese unerwartete Wendung des Gesprächs
als Entsetzen. Das stellte sich erst so nach und nach ein, als wir beide schon
längst wieder auf unsere Stühle zurückgesunken waren. Sie schlug die Hände
vor´s Gesicht.
Als sie sie
wieder runternahm, schimmerten ihre Augen feucht.
„Anna, das tut
mir ja so leid, ich meine, ich habe nicht gewußt...., also wenn ich auch nur
geahnt hätte....“
Sie wirkte sehr
hilflos in diesem Moment, schien zu erahnen, dass die Geborgenheit ihrer
Existenz für mich leider nur ein
unerfüllbarer Wunschtraum war, etwas, das ich nur von Außen kannte. Dass
Sklaverei leider nicht nur etwas Abstraktes war, sondern dass sie ihr hier und
heute in Fleisch und Blut gegenüber saß an diesem Kaffeehaustischchen, in meiner Gestalt.
Ich wollte
gerade ansetzen zu etwas Tröstendem, legte mir gedanklich sogar ein paar
scherzhafte Worte zurecht, als mich ein heilloser Schreck durchzuckte.
„Oh, mein Gott“,
schrie ich auf. Leute drehten sich um. Ich schlug die Hand vor den Mund.
„Anna, Anna, was
ist denn?“
„Giselle, wie
spät ist es?“ Schaute auf meine Uhr. „Ist es wirklich schon viertel nach fünf“
„Aber ja doch,
Anna. Da haben wir doch noch viel Zeit. Mach doch nicht so´n Streß jetzt. Du
mußt erst um 18.30h wieder zuhause...“, sie rang nach Worten, „...äh ich meine,
bei deinem Herrn sein und ich habe dir doch gesagt, dass du nicht mit
öffentlichen Verkehrsmitteln fahren mußt, wir nehmen eine Taxe.....“
Ich schüttelte
heftig den Kopf, fiel ihr ins Wort.
„Nein, wir haben
überhaupt keine Zeit mehr. Und ich bin schon so gut wie im Sklavengefängnis.
Ich habe nämlich was vergessen, weißt du.“ Ich war den Tränen nahe.
„Was
denn, Anna, was denn? Sag schon!“
Ich zog die
Einkaufsliste aus meiner Tasche, Ihr erinnert Euch vielleicht, die, die mir
mein Herr gegeben hatte, damit ich auf dem Nachhauseweg ein paar Besorgungen
erledigen sollte. Aber ich, ich hatte sie komplett vergessen, hatte einfach
nicht mehr gedacht an sie, während ich zusammensaß mit meiner neuen Freundin.
„Hier. Ich soll
das besorgen alles. Hab ich nicht mehr daran gedacht, weil wir uns so gut
unterhalten haben.“
Giselle
betrachtete die Liste mit gerunzelter Stirn, legte sie vor sich auf die
Tischplatte.
„Ooch, Anna, das
ist doch alles nur unwichtiges Zeugs. Das kannst du doch morgen noch besorgen.
Du sagst deinem Herrn eben die Wahrheit. Oder zumindest fast. Also vielleicht
nicht unbedingt, dass du nicht mehr daran gedacht hast.
Du hast da halt
eine kennengelernt in dem Tanzkurs und dann seid ihr eben noch ausgegangen
miteinander, hier, in dieses Cafe, da kann er ja anrufen, ob zwei Mädchen hier
gewesen sind, die das und das bestellt haben, ja, und dann habt ihr euch halt festgequatscht
und...., hier, Anna, ich geb dir meine Telefonnummern, Festnetz und Handy. Er
soll nicht hier anrufen. Er soll MICH anrufen. Ich bin schuld. Ich ganz
alleine. Ich hab dich quasi gezwungen, mir Gesellschaft zu leisten. Und weil du
eine so gute Sklavin bist, hast du dich eben nicht getraut...“
Sie verstand
immer noch nicht.
„Giselle“,
entfuhr es mir laut. „Du verstehst nicht. Ich bin eine Sklavin.“
Fuhr erregt
fort: „ Ich bin so gut wie tot, weil die einen nämlich tot machen im
Sklavengefängnis. Das mit dem Vergessen glaubt mir doch kein Mensch. Und wenn,
auch egal, ich darf Befehle nicht vergessen einfach. Das ist
Befehlsverweigerung, dafür kommt man ins Sklavengefängnis. So oder so.“
Wieder drehten
sich Leute um. Ein paar mehr diesmal. Das war nicht wirklich schlimm. Also dass
jetzt einige mitgekriegt hatten, dass ich eine Sklavin bin. Es gab kein Gesetz,
weder ein geschriebenes noch ein ungeschriebenes, das es Sklaven verboten
hätte, öffentliche Lokale aufzusuchen. Natürlich war es besser, das nicht an
die große Glocke zu hängen. Als Kunden waren wir nicht eben erwünscht, schon
gar nicht an einem so vornehmen Ort wie diesem Cafe , das wäre seinem Ruf nicht
gerade zuträglich gewesen. Man hätte ja auch keinen Obdachlosen hereingelassen
beispielsweise, geschweige denn ihn auch noch bedient, und da gab es auch kein
Gesetz dagegen.
Und prompt stand
der Kellner an unserem Tisch, der, der uns so aufmerksam bedient hatte vorhin.
„Sagt
mal, seid ihr beiden etwa Sklavinnen?“
Giselle warf ihm
einen wütenden Blick zu, kramte in ihrer Handtasche, knallte ihren
Personalausweis auf die Marmorplatte. Ich habe ja schon erwähnt, dass wir
Sklaven keine Personalpapiere im eigentlichen Sinne haben.
„ICH nicht. Und
was meine Begleiterin ist oder vielleicht auch nicht, das geht Sie überhaupt
nichts an!“
Der Kellner
ignorierte das, wandte sich an mich.
„Zeig mal deinen
Ausgehschein, meine Kleine“, verlangte er von mir, mit süffisantem Unterton.
„Das wird ja
immer schöner“, empörte sich Giselle, „Sie lassen uns jetzt augenblicklich in
Ruhe, oder ich will den Geschäftsführer sprechen. Sie sind schließlich hier, um
uns zu bedienen und nicht, um uns zu belästigen. Was erlauben Sie sich
eigentlich?“
Der Kellner
deutete mit einer leichten Verbeugung seinen Rückzug an.
„Gut. Ich
entschuldige mich. Aber ihr geht jetzt besser. Die Rechnung geht aufs Haus, ihr
braucht nicht zu bezahlen.“
„Wir haben noch
nicht mal aufgegessen“, erklärte Giselle mit Würde.
„Also, eßt in
Ruhe zuende. Und dann geht bitte, ohne viel Aufhebens zu machen. Du...“, er
deutete auf Giselle, „bist uns natürlich weiterhin als Gast willkommen. Aber
überleg dir das nächste Mal bitte besser, wen du mitbringst hierher.“
„Es wird kein
nächstes Mal geben, Herr Ober“, erwiderte Giselle.
Er verbeugte
sich noch mal leicht, drehte sich auf dem Absatz um und schritt davon.
Wir saßen da wie
die begossenen Pudel. Wer jetzt übrigens meint, andere Gäste hätten in
irgendeiner Form Kenntnis genommen von dem kleinen Intermezzo, möglicherweise
sogar interessiert gelauscht, der irrt. Es waren schließlich alles wohlerzogene
Leute, die hier verkehrten.
Giselle fand als
erste die Sprache wieder.
„Hat man
Worte..., aber hör zu Anna, was dein kleines Problem betrifft, also deswegen
werden wir uns keine grauen Haare wachsen lassen und auch nicht allzu schnell
aufbrechen hier, nicht wahr, schon um diesen Kellner- Arsch zu ärgern.“ Sie
kicherte boshaft, zog ihr Handy raus, wählte eine Nummer.
„Valentina?
Giselle hier. Hör zu, was hat dir meine Mutter noch alles aufgetragen für heute
nachmittag?“
Offenbar sprach
sie mit der Familiensklavin. Wartete die Antwort ab, die etwas länger ausfiel.
„Also,
Valentina, vergiß das alles. Ich erkläre das heute abend meiner Mutter. Nimm
dir mal ´nen Zettel und ´nen Bleistift und schreibe die folgenden Dinge auf,
die ich dir jetzt diktiere. Ich sag dir auch genau die Geschäfte, wo du es
besorgen mußt. Nimm ein Taxi. Anschließend kommst du ins Cafe „Rosenstolz“, wo
ich mit einer Freundin bin, und bringst mir die Sachen. Dann bezahl ich den
Taxifahrer, der bringt dich auch wieder zurück, und dann hast du immer noch
genügend Zeit, wenigstens die wichtigsten Dinge zu tun.“
Vom anderen Ende
der Leitung schienen Einwände zu kommen.
„Ausgehschein?
Scheiß auf den Ausgehschein, Valentina. Warum sollte dich irgendwer danach
fragen, wenn du offenkundig Einkäufe erledigst für deine Herrschaft? Und jetzt
hör gut zu und schreib gefälligst mit....“ Sie diktierte ihr alles, was auf dem
Einkaufszettel meines Herrn stand. Mit einer Stimme, die keinen Widerspruch
duldete, wie mir unangenehm auffiel. Na
ja, war mir ohnehin klar, dass sich die Sache mit der Befreiung aller Sklaven
noch eine Zeitlang hinziehen würde, und
so lange....
„Wie? Nein,
nicht auf meinen Namen. Es ist für einen.... Bekannten meiner Freundin. Wart mal kurz.“
Sie hielt die
Hand über die Sprechmuschel.
„Wie heißt denn
dein Herr?“, flüsterte sie mir zu.
Ich sagte es
ihr. Nicht, dass er sich mir jemals offiziell vorgestellt hätte, weder damals,
als er mir zur Begrüßung in die Fresse schlug gleich, noch zu einem späteren
Zeitpunkt. Für mich reichte ja die Anrede: „Herr“. Aber sein Name stand auf dem Klingelschild vor dem Hoftor, und da
blickte ich drauf heute früh. Irgendwann will man halt schon einmal erfahren,
wem man gehört. Wessen Eigentum man ist.
„So, das hätten
wir. Alles paletti.“ Sie strahlte zufrieden, steckte das Handy wieder weg.
Einerseits war
ich sehr erleichtert. Die Geschäftsinhaber konnten ja nicht wissen, wie die
Sklavin eines gewissen Herrn Soundso aussah. Und auch wenn ich irgendwann noch mal
dorthin geschickt werden sollte: es war ihnen ja auch nicht bekannt, ob dieser
gewisse Herr nicht etwa mehrere Sklavinnen hatte. Wenn sie sich überhaupt an
eine Sklavin erinnerten, die für ihren Herrn einkaufte.
Andrerseits war
es mir gar nicht recht, dass Giselle die ihre
einem solchen furchtbarem Risiko aussetzte für mich.
Ich teilte ihr
meine Bedenken mit. „Giselle, ich will nicht, dass eine Andere in den
Sklavenknast muß wegen mir. Willst du sie nicht anrufen und ihr sagen, dass sie
es doch nicht tun soll? Ich meine, wir beide könnten uns doch auch ins Taxi
setzen und...“
„Ach, Annalein.
Risiko, welches Risiko? Valentina ist weder tätowiert noch trägt sie einen
Fußreif. Die ist sogar schon mal angehalten worden, als sie für mich unterwegs
war ohne Ausgehschein, da hat sie einfach gesagt, sie hätte ihren Perser
vergessen und alles war o.k..“ Triumphierend blickte sie mich an.
Oh weh, Giselle
meinte es zwar nicht böse, aber sie schien keine Ahnung zu haben von der
Lebensgefahr, in die sie ihre Sklavin jedesmal brachte damit. Bestimmt hatte
ihr ihre Mutter nie eine Geschichte wie die vom „ungehorsamen Sklavenmädchen“
erzählt. Warum hätte sie das auch tun sollen?
Ich wagte aber
keine Einwände mehr gegen Giselles generöse Hilfsbereitschaft mir gegenüber. Nahm
mir jedoch vor, sie später einmal darüber aufzuklären, wie unverantwortlich das
im Grunde war, was sie da tat.
Valentina, eine
ungefähr vierzigjährige Frau, südländischer Typus, erschien schwerbepackt kurz
vor18.00h, legte mir die Einkäufe zu Füßen, nannte mich „Herrin“. Giselle trat
mich unter dem Tisch gegen das Schienbein, als ich den Mund aufmachen wollte,
um dieses Mißverständnis zu korrigieren.
Sie rief gerade
laut: „Ober, zahlen“ („Denn selbstverständlich zahlen wir, Anna, aber gewiß
doch. Wir lassen uns doch nicht beleidigen von diesen Ärschen!“), als es zu
einem weiteren kleinen Zwischenfall kam.
Es ging nämlich
die Tür auf, eine ältere matronenhafte Frau trat ein und mit einem freudigen
Lächeln an unseren Tisch. Es war Giselles Tante Klara, wie sich gleich
herausstellen sollte.
„Giselle! Na so
ein Zufall. Ich lauf da gerade vorbei und denke mir: ja wenn das nicht die
Giselle ist. Wie geht´s dir? Und der Mama? Die habe ich auch schon lange nicht
mehr gesehen.“
„Gut, Tante
Klara, uns geht´s allen gut. Danke. Und Papa auch. Und Rolf.“
„Rolf“, so
wandte sie sich an mich, „das ist unser Hund. Ein Irish Setter, den müßtest du
mal streicheln, der hat ein ganz weiches Fell, sage ich dir.“
Giselle schien
die Freude ihrer Tante über diese Begegnung nicht ganz zu teilen, wollte
offenbar demonstrieren, dass sie in einem Gespräch mit mir begriffen war. Das
merkte Tante Klara entweder nicht oder es ließ sie kalt.
„Du pflegst es
ja auch voller Hingabe“, meinte sie. „Ihr habt Valentina einkaufen lassen, wie
ich sehe. Weiß deine Mutter eigentlich davon? Wahrscheinlich eher nicht, oder?“
Sie drohte Giselle schalkhaft mit dem Finger.
Valentina hatte
sich derweil auf alle Viere sinken lassen, ordnete die Einkaufstüten neu an,
auf dass sie sich gegenseitig stützten und nicht etwa eine davon umfiele. Sie
schien es vermeiden zu wollen, Tante
Klara ihre Anwesenheit mehr als nötig zu Bewußtsein zu bringen.
Die gab ihr auch
einen leichten Schlag mit ihrem zusammengerollten Sonnenschirm auf den Rücken.
„Was gibt´s denn
da rumzufummeln, dummes Stück. Scher dich raus hier, aber dalli.“
Valentina
blickte fragend auf Giselle.
„Ja, Valentina,
laß sie stehen so. Ist schon in Ordnung. Geh nur. Und vielen Dank, dass du
alles so schnell besorgt hast.“
Valentina trat
unter Verbeugungen gegen Tante Klara den geordneten Rückzug an, so schnell wie
das der Respekt vor der Herrschaft zuließ.
Einer Sklavin zu
danken für geleistete Dienste war nicht
eben ein mustergültiges Beispiel für die Beachtung gesellschaftlicher
Gepflogenheiten, entsprechend zog Tante Klara einen Flunsch, als habe sie
Zahnweh. Sie war aber wohl vertraut mit den Spleens ihrer Nichte und maß ihnen
offenbar keine größere Bedeutung zu, ja nahm sie sogar mit Humor.
„Nächstens lädst
du Valentina hierher ein, du kleine Sklavenbefreierin, du! Zuzutrauen wär´s
dir!“ Wieder dieses schalkhafte Drohen mit dem Finger. Über diesen abwegigen
Verdacht mußten wir alle drei herzlich lachen, auch der Taxifahrer, der
hinzugetreten war und sein Geld wollte, grinste.
„Die Dame
draußen sagt, sie würden zahlen. Auch für die Rückfahrt.“
„Diese Dame, wie
Sie sich auszudrücken belieben, junger Mann“, belehrte ihn Tante Klara, „ist
lediglich die Sklavin der Familie dieses entzückenden Mädchens hier.“
Fingerzeig auf Giselle. „Werden fünfzig Euro reichen?“
„Aber dicke“,
brummte der Fahrer.
Gegen den
Protest Giselles bestand Tante Klara darauf, das Taxi zu bezahlen.
„Geben Sie ihr
das Rausgeld, nehmen Sie sich drei Euro Trinkgeld.“
„Danke sehr, die
Dame.“
„Und vergessen
Sie nicht, ihr eine Quittung auszustellen“, rief sie ihm noch hinterher, als er
fast schon draußen war.
Erhitzt von
ihrem guten Werk reichte mir Tante Klara eine schweißnasse kleine Patschhand,
die ich zögerlich ergriff.
„Hallo, mein
Kind. Du schaust ja auch ganz entzückend aus. Ach, ihr jungen Leute...Ich bin
übrigens Giselles Tante Klara, du darfst Tantchen zu mir sagen. Wie heißt du
denn?“
„Anna“, brachte
ich hervor, mit einem Kloß im Hals. Hoffentlich bekam der Kellner nichts mit
von dieser Unstatthaftigkeit und hielt es für seine Pflicht, Tante Klara ins
Bild zu setzen.
„So, Anna heißt
du also? Das ist ja ganz entzückend. Anna ist immer gleich. Von vorn und von
hinten.“ Sie lachte perlend über diesen geistreichen Witz, diesmal alleine.
„Sag, Anna,
woher kennst du denn meine kleine Giselle? Seid ihr gemeinsam auf dem
Gymnasium?“
Der Kloß in
meinem Hals saß ziemlich fest, so langsam bekam ich es mit der Angst zu tun.
Ein Sklave muß sich im Zweifelsfall immer als solcher zu erkennen geben, (also
nicht gegenüber der Öffentlichkeit, aber im persönlichen Kontakt), und der
Strafkodex ließ keinen Zweifel daran, dass die Erregung oder Unterstützung
eines diesbezüglichen Irrtums nicht gerade ein Kavaliersdelikt ist, Strafrahmen
abhängig von den Begleitumständen und den dahinter steckenden Absichten.
Gut, ich hatte
früher selber andauernd verstoßen dagegen, aber das schien Lichtjahre her zu
sein. Jetzt kroch Angst in mir hoch,
lähmende Angst.
„Nein,
Herrin....ich meine, Tantchen“, korrigierte ich mich sofort, jedoch zu spät.
„Herrin, sie
nennt mich Herrin, habt ihr das gehört“, lachte das Tantchen, „das ist ja ganz
entzückend!“ Sie nahm es für eine Anspielung
auf ihren Scherz von vorhin, also auf den, dass es Giselle zuzutrauen
wäre, Sklavinnen ins Cafe einzuladen.
Ich grinste
mühsam.
„Nein, Herrin“,
wiederholte ich meinen „Spaß“, „ich habe nur den Realschulabschluß.“ (Das war doch eigentlich eine Absicherung,
wenn der jetzt nahende Kellner das Mißverständnis ein für alle Mal aufklären
würde. Durch diese Titulierung hatte ich mich ihr doch eigentlich als Sklavin
zu erkennen gegeben, oder?)
Jetzt stand er
wieder an unserem Tisch. Griff einen freien Stuhl vom Nebentisch, schob ihn
Tantchen unter ihren voluminösen Hintern.
Die machte sich
noch nicht mal die Mühe, ihn auch nur anzuschauen, hielt ihren Blick weiter auf
mich gerichtet.
„Danke, junger
Mann. Und bringen Sie mir bitte einen Cappuchino und eine Schwarzwälder Sahne-
Kirsch.“
„Sehr wohl“. Er
entfernte sich.
„So, nur den
Realschulabschluß?“, sprach sie gedehnt. Ihre Begeisterung für mich flaute
etwas ab, des Eindrucks konnte ich mich nicht erwehren.
„Komm schon,
Tante Klara“ mischte sich da Giselle wieder in unsere Unterhaltung, „wenn du
wüßtest, unter was für widrigen Umständen sie ihren Schulabschluß machen mußte,
du würdest sie bewundern dafür. Und sie hat auch einen wirklich guten, nicht
wahr, Anna?“
„Eins Komma
sieben“, preßte ich hervor. Es entsprach der Wahrheit. Ich bezweifelte
allerdings dennoch sehr, ob ich auch nur ihre Füße hätte küssen dürfen, wüßte
sie tatsächlich Bescheid über die „widrigen Umstände“. Dachte mir schon ein
paar Lügengeschichten aus für den Fall, dass sie Näheres erfahren wollte.
Das tat sie aber
nicht.
„So? Na, das ist
doch ganz ordentlich, junge Dame. Besser die eins Komma sieben unter Fach und
Dach als den Spatz in der Hand“, witzelte sie.
„Aber
jetzt sagt: woher kennt ihr euch denn?“
„Aus dem
Bauchtanzkurs, Tante Klara,“ antwortete Giselle.
„Ach richtig, du
machst ja einen Bauchtanzkurs jetzt. Hm, verrückte Sache. Wir haben noch den
Wiener Walzer gelernt in meiner Jugend. Rechts herum und auch links herum. Bis
zum Abschlußball mußte das eine jede beherrschen. Ich hatte den Bogen schon
nach der dritten Stunde raus. Ach, ihr jungen Leute.....“
Sie begann den
Donauwalzer zu summen, während der Kellner den Cappuchino und die Torte vor ihr
arrangierte.
Er fragte auch
uns formvollendet höflich, ob wir noch etwas wünschten. Unser kleiner Disput
von vorhin schien völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Giselle verneinte und wiederholte ihren
Wunsch nach der Rechnung.
„Kinder, ihr
wollt doch nicht etwa schon gehen und eure alte Tante Klara alleine
zurücklassen?“, kam es enttäuscht von dieser.
„Bestellt
euch doch noch was. Ich lade euch ein.“
„Nein, Tante, so
leid es mit tut. Ein andermal gerne, aber heute geht es nicht. Anna hat einen
sehr strengen Vater, mußt du wissen, und sie muß schon um 18.30h wieder daheim
sein. Sie muß ihm noch im Haus helfen. Er ist früh verwitwet, weißt du, und
Anna hilft ihm viel, führt praktisch den Haushalt“, setzte sie frei
improvisierend hinzu.
„Oh, das ist
aber recht von dir, mein Kind. Dass es so was noch gibt heutzutage. Zu meiner
Zeit, da war das natürlich selbstverständlich, aber die jungen Leute heute...
Schön, dass du nicht so bist.“
Sie schaute auf
ihre Uhr, die golden funkelte am dicken Handgelenk. Nebst etlichen Armreifen
des selben Materials.
„Dann bist du ja
fast schon zu spät dran, es ist ja schon in fünf Minuten halb.“
Mir fiel das
Herz in die Hose. Das war nicht mehr zu schaffen. Auch mit einer Taxe dauerte es mindestens
eine halbe Stunde bis zum Haus meines Herrn. Giselle telefonierte hektisch nach
einer solchen mit ihrem Handy. Die ganze Zeit kam immer nur das Besetztzeichen
bei der Taxizentrale. Sie warf mir verzweifelte Blicke zu.
Lähmung und
Starre krochen hoch in mir. Das Grauen der Nacht im Stehsarg kam wieder. Ich
dachte an den Prügelbock, die Peitschen. An dieses gräßlich nackte Metallbett
zum „Ohnmächtig- Prügeln.“ Würde ich diesmal „drauf“ müssen? Elektroschocks.
Auf solchen Betten verpassen sie ihren Opfern auch Elektroschocks in den
Sklavengefängnissen. Allerdings hatte ich noch kein Elektroschock- Gerät
gesehen bei meinem Herrn. Möglicherweise bewahrte er es ja auch in einem
Schrank auf. Sie sind ja nicht groß.
Von der Taxi-
Zentrale diesmal eine Bandansage. „Wir sind im Moment leider völlig überlastet.
Der nächste freie Mitarbeiter wird ihren Anruf entgegennehmen. Bitte legen sie
nicht auf.“
Die Minuten
krochen. Beruhigende Musik und immer wieder die selbe Ansage aus dem Handy.
Gottseidank war
wenigstens Tante Klara vollauf mit ihrer Torte beschäftigt und wollte keine
Konversation machen.
„Kinder, das
kostet ja ein Heidengeld, wenn ihr das Handy die ganze Zeit anlaßt. Macht es
doch aus und probiert es in einer halben Stunde noch mal. Ihr Vater wird Anna
schon nicht gleich den Kopf abreißen, wenn sie sich mal verspätet ein bißchen.
Er wird sie doch nicht behandeln wie eine Sklavin“, meldete sie sich endlich
wieder zu Wort. Wo vor kurzem sich noch ein Trumm von einem Tortenstück erhoben
hatte, befanden sich nur noch Krümel und Sahnereste.
Immer noch diese
Musik und die Bandansage... Inzwischen waren bestimmt zehn Minuten vergangen.
Panik breitete sich aus in meinen Eingeweiden, krallte sich im Unterbauch fest,
ich hatte das Gefühl, mir gleich in die Hose zu machen.
Plötzlich stand,
wie aus dem Nichts, der Taxifahrer von vorhin neben uns.
„Tut mir leid,
die Damen, dass ich stören muß. Aber ich bin ja vorhin durch die halbe Stadt
gefahren. Und dann noch das Nachhause- Bringen, also es fehlen noch zwei Euro
fünfzig.“
Er war doch ein wenig erstaunt, der Gute, mit
welcher Euphorie seine nächste „Fuhre“ sein Aufkreuzen begrüßte.
Sie hat einen Ausgehschein bis 18.30h, jetzt ist sie bereits eine Viertelstunde überfällig und immer noch kein Zeichen von ihr. Macht sie einen Fluchtversuch? Das glaube ich eigentlich nicht. Das wäre so töricht, vor allen Dingen jetzt, wo sie was zu verlieren hat. Ihre Ausgeherlaubnis und ihre Tanzstunden, ein gewisses Vertrauen mithin, das ich mittlerweile in sie setze. Von der WSSC- Tätowierung und dem GPS- Fußring ganz zu schweigen. Ein Kind wüßte, dass ein solchermaßen ausgestatteter Sklave keine Chance auf ein Entkommen mehr hat. Und Anna ist kein Kind mehr. Und sehr intelligent obendrein.
Dass die
Tanzschule eine Tarneinrichtung der Anti- Sklaverei- Liga ist, glaube ich
ebenfalls nicht.
Was soll ich
tun? Falls sie wider Erwarten doch einen Fluchtversuch unternimmt, wäre es
natürlich hilfreich, die Polizei möglichst früh zu verständigen. Aber ich
glaube es nicht. Vielleicht hat sie den Bus verpaßt, wäre ja möglich. Mit dem Bus braucht man schon so eine
dreiviertel Stunde hier heraus, es gibt
einen durchgehenden von Stuttgart aus.
Ich hole mir den Fahrplan. Mal sehen: eigentlich hätte sie den um 17.32h nehmen
müssen, planmäßige Ankunft 18.15h, zehn bis fünfzehn Minuten Fußweg, da sie ja
was zu schleppen hat an Einkäufen. Jede Minute Verspätung wollte ihr mit drei
Ohrfeigen quittieren. Das geht jetzt natürlich nicht mehr. Den Ochsenziemer und
dann Schläge, bis sie sich einscheisst.
In den Stehsarg will ich sie eigentlich nicht mehr sperren, der ist nur noch
ein Drohrequisit, schade eigentlich um die handwerklich aufwendige Arbeit. Aber
wie gesagt; wenn sie mir in den Wahnsinn oder die geistige Umnachtung flieht,
bevor ich noch ordentlich meinen Spaß gehabt habe mit ihr, bin ich ja der Dumme
letzten Endes.
Also der nächste
Bus ab Stuttgart ginge um 18.32h. Wäre sie also mit einer Stunde Verspätung
hier. Also doch bewußtlos hauen? Hm, nee. Da muß sie dann wohl erst mal ins
Krankenhaus für einige Tage. Vielleicht sogar eine Woche. Das kostet Geld, mein
Geld erst mal, da ich für sie noch keine „Ausfallzeit- Versicherung“
abgeschlossen habe, die so was mit abdeckt. Die Prämien sind einfach zu hoch,
da der Versicherungsfall relativ häufig eintritt.
Gegen 19.15h
höre ich ein Motorgeräusch. Ich schaue aus dem Fenster. Und traue meinen Augen
kaum. Ein Taxi fährt vor, hält wohl, da
es nicht wieder auftaucht an der anderen Seite der Umfriedungsmauer. Es läutet.
Ich laufe zum Tor, öffne es.
Anna steht
davor, mit Tüten behangen, und noch so ein Gör. Klein und zierlich, eine echte
Augenweide. Im Prinzip so richtig was für einen Kinderschänder wie mich. Auch sie hat in jeder Hand eine Einkaufstüte.
Im Hintergrund steht das Taxi mit abgestelltem Motor, der Fahrer hat die
Scheibe runtergekurbelt, raucht eine, winkt mir lässig zu. Ich beachte ihn
nicht.
Das Gör stellt
eine Einkaufstüte auf den Boden, reicht mir eine Hand, die ich ergreife.
„Hallo, ich bin
die Giselle. Ich kenne Anna vom Bauchtanzkurs her. Darf ich mit reinkommen?“
Sehr gepflegte Aussprache, kultiviertes Selbstbewußtsein. Das ist keine Sklavin, nein, ausgeschlossen.
Eher schon Hoch- und Geldadel. Möglicherweise sogar Geistesadel. Spielt bestimmt
Klavier und all so´n Zeugs. Eigenes Reitpferd, Ihr wißt schon, was ich meine.
Gegen Atomkraft. Zumindest ziert ein „Atomkraft- Nein Danke!“ – Button ihre
stonewashed Jeansjacke mit Label. Selbstverständlich kein Anti- Sklaverei-
Spruch, das wäre ja illegal. Obwohl sich natürlich viele Youngsters nicht
entblöden, genau deshalb rumzulaufen mit einem. So wie andere, sagen wir mal,
ein Hakenkreuz tragen. Eines dieser durchgestrichenen, die trotzdem illegal
sind, weil wir hier in Deutschland leben und Hakenkreuze in allen Formen
unzulässig sind. Auch durchgestrichene.
Aber die Kleine
hier ist sicherlich gegen Sklaverei, sonst würde sie nicht mit Anna rumziehen,
ihr noch beim Tütentragen helfen. Das sind sie doch gerne, diese jungen
Gestopften, während ihnen zuhause die Sklaven von Mami und Papi die goldenen
Löffel in die Münder schieben.
(Übrigens- damit
wir uns nicht mißverstehen. Auch ich bin gegen Atomkraft. Aber das ist ja wohl
was anderes!)
„Ja gerne“,
heuchle ich. Gottseidank habe ich den Ochsenziemer nicht in der Hand.
Ursprünglich wollte ich ihn ja mitnehmen zum Tor, um Anna gleich mal seelisch
zu foltern ein bißchen mit dem Anblick. Gegenüber dieser Elfe aus einem Reich
ohne Not und Existenzangst wäre er aber eindeutig deplaziert. Direkt
barbarisch. „Aber wartet dein Taxi nicht?“ „Das kann warten. Ich zahl ja
schließlich dafür.“ Geldadel, klarer Fall.
Anna sagt kein
einziges Wort, denkt also offenbar an das Redeverbot. Das gefällt mir. Schaut
mich an aus großen Augen, ihre Hände zittern leicht. Sie hat Angst, das ist
offensichtlich. Das gefällt mir noch besser. Sie beißt auf ihrer Unterlippe
herum. Als sie merkt, dass ich sie beobachte, hört sie auf damit, versucht
erst, mich scheu anzulächeln, senkt dann demütig den Kopf. Diese kleine
Befreiungsaktivistin scheint ihn ihr also nicht vollständig verdreht zu haben,
ich wußte doch, Anna ist im Grunde ein sehr vernünftiges Kind. Intelligent
eben.
„Ja gut, dann
kommt doch mal rin in die gute S-tube“ sage ich, wie die Norddeutschen es tun,
mit spitzem „S“.
Die Kleine, wie
hieß sie doch gleich, ach ja, Giselle, verdreht die Augen, versucht
Blickkontakt herzustellen zu Anna.
Diese starrt sie
nur an mit beschwörender Miene, schüttelt leicht den Kopf, als wolle sie sagen:
„Provozier ihn nicht, bitte, provozier ihn bloß nicht.“
Gut, Scherz auf
ländlichem Niveau nicht gut gelaufen. Vielleicht war es doch ein Fehler, die
Großstadt zu verlassen, um hier langsam zu verbauern.
Ich versuche,
Terrain wiederzugewinnen, indem ich nach Giselles Tragetüten greife. „Komm, laß
mich die tragen, bitte.“
Sie überläßt mir
die beiden Tüten. Und greift sich zweie von Annas. Die will sie erst gar nicht
hergeben, schüttelt wieder so leicht den Kopf, läßt sie dann aber doch fahren.
Wir gehen ins Haus. Giselle und ich voran, Anna hinterher.
Unterwegs frage
ich Giselle: „Was ist denn eigentlich schiefgelaufen. Warum hast du sie mit dem
Taxi herausgebracht? Was kriegst du dafür?“
Sie will nichts,
gar nichts. Das sagst sie sehr energisch, ich insistiere wohlweislich nicht.
Sie tischt mir
irgendeine Räuberpistole auf, ich höre gar nicht so genau hin. Erstens kann ich
mir das in den Grundzügen sowieso denken, man hat sich wahrscheinlich
festgequatscht irgendwo, möglicherweise sogar bei Giselle daheim, vielleicht
auch in einem Cafe, und darüber die Zeit vergessen, und zweitens fasse ich den
spontanen Entschluß, mich doch mal als Hobby- Folterer zu betätigen ein wenig
heute nacht, ungeachtet meiner fehlenden Sachkunde, und Anna noch bevor der
Hahn kräht zur Ablegung eines vollen Geständnisses zu bewegen.
Ich hatte
nämlich heute nachmittag, während Anna weg war, wieder diesen einen Handwerker
da, Ihr wißt schon, diesen einen, der auch den Stehsarg gebaut hat, Gottseidank
war er kurzfristig verfügbar wegen einer Terminabsage, und der hat mir
zwei bis drei Änderungen eingebaut im
Folterkeller. Und ich brenne darauf, sie auszuprobieren.
Also jedenfalls,
wenn man Giselle glauben darf, ist es ein Wunder, dass der Himmel über dem
fernen Stuttgart so normal und friedlich daliegt. Das sollte man nach all den
dramatischen und schrecklichen Ereignissen,
die sie so schildert und die es schier unmöglich machten, die Bushaltestelle zu
erreichen ohne Dschungelkämpferausbildung, nicht erwarten. Eher schon die
sieben Reiter der Apokalypse. Atompilze und so in die Richtung.
Ich nicke
trotzdem dazu, als wäre das alles das Normalste von der Welt, streue nur hin
und wieder ein „Ach was?“ ein. Falls das ein wenig sarkastisch klingt
bisweilen, fällt es Giselle nicht auf.
Im Haus
angekommen, schicke ich Anna in die Küche, Tee bereiten. Giselle hätte gern
einen Tee, ich schließe mich dem an. Kaffee wäre mir zwar lieber gewesen, ich
möchte Giselle gegenüber aber den Eindruck erwecken, als wäre ich ein
rücksichtsvoller Herr, der seiner Sklavin keine unnötige Arbeit aufbürden
möchte, wie sie das wahrscheinlich von zuhause kennt.
„Wow, das sind
aber viele Bücher“, staunt sie, im Wohnzimmer angekommen.
„Ja, weißt du,
es ist abends still hier und es gibt auch nicht so viele Zerstreuungen wie in
der Stadt. Da lese ich viel.“
„Und
das schöne Schachspiel. Ist das Alabaster?“
„Ja. Ich ziehe
Alabaster Marmor vor, weißt du. Ich finde, das Licht scheint so schön hindurch,
wenn man es gegen das Helle hält. Nimm ruhig eine Figur und probier es mal.“
Sie tut es
ausgiebig und es sieht aus, als gefiele ihr der Effekt sehr.
„Schön.
So eines will ich auch mal haben.“
„Nun, in einem
halben Jahr ist doch bereits wieder Weihnachten“, schmunzle ich, „oder
vielleicht hast du ja bald Geburtstag.“
„Geburtstag ist
eher als Weihnachten“, lacht sie.
„Na siehst du!“
„Ja, aber sind
die nicht sehr teuer?“
„Ach, weißt du,
eines aus Holz ist natürlich billiger, aber die Welt kosten sie auch nicht
gerade.“
Gesprächspause.
„Und- ist das
nur Dekoration oder spielen Sie auch?“
„Aber klar
spiele ich. Hat sie dir das nicht erzählt?“
„Wer?“
„Anna“
„Wie? Spielen
Sie etwa gegen Anna?“
Ich merke, wie
ich langsam durchkomme bei ihr mit dem positiven Image eines Sklavenhalters,
der seine Sklavin als Mensch sieht in erster Linie.
„Aber ja doch.
Sie ist sehr gut. War in ihrer Schulmannschaft, hat den Schulpreis gewonnen.“
„Und
das stimmt wirklich? Sie spielen Schach mit ihr?“
„Ja, warum
sollte ich das denn nicht tun? Findest du das etwa falsch?“
„Nein, ich finde
es sogar großartig. Ich habe mich auch gleich prima verstanden mit ihr. Wir
haben uns heute nachmittag gleich unsere Freundschaft gestanden“, verkündet sie
gewichtig.
Aha. Nun, das
werde ich unterbinden künftig. Sag
tschüß Tanzstunden, tschüß Ausgang, Anna. „Du Früchtchen kommst jetzt mal
richtig unter die Knute. Dazu laß ich dich nicht springen, dass du dir gleich
seelischen Beistand anlachst.“ Wie gut, dass Giselle nicht Gedanken lesen kann.
„Weißt du,
Giselle, Leute, die ihre Sklaven nicht als Menschen ansehen, als ihresgleichen,
sind Idioten in meinen Augen.“
So denke ich
wirklich. Wer der Herr ist und wer der Knecht, das ist doch Zufall. Und wie
schön, dass ein richtiges leidensfähiges, sensibles, intelligentes,
zerbrechliches Menschlein wie Anna mir
in die Hände gegeben, mir ausgeliefert ist.
„Ich glaube,
Anna sieht Sie zu negativ. Ich finde Ihre Einstellung eigentlich o.k. nach
allem, was Sie so sagen“
„Ach?
Was hat sie denn gesagt über mich.“
„Nein,
mißverstehen Sie mich nicht, bitte. Ich will auch nicht, dass Sie Anna schlechter ansehen jetzt, weil Sie
vielleicht denken, sie würde sie schlechtmachen. Das ist nicht wahr, wirklich.
Es ist nur so, ach, ich weiß auch nicht, wie ich das sagen soll, ich hatte das
Gefühl, als wir uns vorhin unterhielten, Anna und ich, dass ich da irgendwie
gespürt habe, als ob sie das erste Mal seit längerem wieder richtig frei und
glücklich und sie selbst wäre. Aber das ist nur so ein Bauchgefühl, vielleicht
täusche ich mich ja auch.“
„Hm, das was du
da sagst, das macht mich jetzt direkt betroffen. Vielleicht sollte ich mit Anna
mal reden drüber.“
„Ja,
das sollten Sie wirklich tun, finde ich.“
Oh ja, das werde
ich. Möglicherweise drehe ich die Daumenschrauben ganz allmählich immer enger,
während der Erörterung dieses Themas. Oder ich verpasse ihr Elektroschocks.
Ich habe nämlich
heute nachmittag einen ganz interessanten Chat gehabt in einem Internetforum.
Unter diesen ganzen Aufschneidern und Spinnern, die die Folterforen heimsuchen
(und natürlich nicht nur die), gibt es ganz vereinzelt hochkarätige Leute, ich
vergleiche sie mit weißen Raben. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere
Leser daran, am Anfang dieser Generalbeichte, zu der meine Erzählung immer mehr
wird, habe ich dieses Bild schon einmal gebraucht. Es könnte sein, dass ich an einen solchen
geraten bin. Sachkompetenz und diabolische Phantasien, Junge, Junge, dem möchte
ich nicht in die Hände fallen. Aber er kann mir vielleicht weiterhelfen bei
meinem Problem: wie foltere ich Anna?
Das einzig Dumme
ist nur, wie alle wirklich guten Leute hat er wenig Zeit, wir bleiben in
Kontakt, er wird mir Tips geben per E- Mail, per Telefon, aber ich soll nicht
zuviel riskieren anfangs.
„Sie können sie
schon mal antesten so ein bißchen, aber mehr so die klassischen Sachen. Sonst
stirbt sie Ihnen womöglich unter den Händen weg und Sie sind der Gelackmeierte.
Bestimmte Dinge probieren Sie vielleicht besser an Schweinehälften, wenn Sie
die mit zu hoher Voltzahl grillen beispielsweise, können Sie sie immer noch
aufessen hinterher. Dazu würde ich Ihnen nicht raten bei Anna, bevor das
Kannibalismusverbot nicht gefallen ist.“ Dahinter hatte er so ein Lach- Smily
gesetzt.
Man kann gut
reden mit ihm, wirklich. Wir telefonierten. Ich sprach das Folterverbot an. Er
lachte nur. Echt Gefolterte können Sie sogar zum Einkaufen schicken unbesorgt,
meinte er. Die verstummen irgendwann, vertrauen sich von sich aus keinem
Menschen mehr an.
Ich sprach
meinen inneren Zwiespalt an, Anna auf der einen Seite schwer foltern zu wollen,
bis zum Tod idealerweise, sie mir auf der anderen Seite aber als hündisch
ergebene Sexsklavin halten zu wollen, so lange es nur geht. Bei gleichzeitiger
seelischer Schwingungsfähigkeit. Wenn das überhaupt geht.
Tja, wenn sie
mal tot seien, bliebe nur noch Leichenschändung. Davon rate er bei der
herrschenden Gesetzeslage allerdings fast genauso ab wie vom Kannibalismus. Seelische
Schwingungsfähigkeit- auch so ein Problem: Leute, die der womöglich
wiederholten oder gar regelmäßigen Folter unterlägen, stumpften ab. Das sei nur
natürlich. Man könne ihnen da nur längere Ruhephasen geben, die für die
Betroffenen auch wirklich als völlig folterfreie Intervalle ausgewiesen würden
und wo sie sich hundertprozentig verlassen könnten drauf.
Foltern und
Verfügbarkeit: gar kein so großes Thema. An der Folter zerbrächen in erster
Linie nur Individuen, die noch nicht genügend konditioniert wären.
Eine
vollständige Abrichtung im Sinne einer echten Vollversklavung, und das sei es
ja, was ich mir auf der einen Seite ersehnte bei Anna, wenn er mich richtig
verstehe (ich bejahte), brächte immer eine völlige Selbstaufgabe und
Identifikation mit dem Befehlsgeber mit sich. So was nenne man „induzierten
Masochismus“, der, im Unterschied zum „echten“, immer wieder „aufgefrischt“
werden müsse, da er erlernt sei.
In diesem
Zustand kann das Objekt Lust empfinden, wenn es dem Willen und den Launen des Befehlsgebers
unterworfen und ausgeliefert ist. In dieser Verfassung sei Folter am ehesten möglich, ohne dass die
Objekte daran zerbrächen. Gleichzeitig wirke sie als Verstärkung des
vorerwähnten erlernten Masochismus.
Also der Kreis
schließe sich damit gewissermaßen. Aber eine gewisse Abstumpfung des Objekts
sei trotzdem unvermeidlich, das sei nun mal nicht zu ändern.
„Auch ist eine echte Vollversklavung nicht einfach
zu erreichen, mein Lieber.
Angstbesetztes Anpassungsverhalten ist noch kein Masochismus. Lediglich
eine Voraussetzung, ihn vielleicht zu erreichen eines Tages. Angst spielt
natürlich eine große Rolle im Konditionierungsprozeß. Wie Demütigungen,
Erfahrungen vollständigen Ausgeliefertseins, sexueller Mißbrauch etc.“
Diese komplexen
Regelbeziehungen wären für den Laien in der Tat kaum beherrschbar. Er rate
dringend zu der Investition in eine professionelle Sklavenschule, Mindestdauer
sechs Wochen.
„Was,
so schnell kann das gehen unter Umständen?“
„Unter
Umständen, ja. Vom Rest sind viele bereits nach acht Wochen soweit.“
Ja
Gottverdammich, das wäre ja direkt noch im Bereich des Möglichen mit dem Rest
meines Erbes.
„Gut. Einen
Schritt nach dem anderen. Jetzt lassen Sie sie erst mal profimäßig abrichten,
auch wenn´s nicht billig ist. Dann trete ich auf den Plan. Ich tu´s für
Gotteslohn.“ Wir lachten.
Wie gut, dass
Giselle nicht Gedanken lesen kann.
Ich habe Giselle mit einem prächtigen Bildband über die St. Petersburger Eremitage versorgt, den sie „supertoll“ fand und in den sie sich auch sogleich vertiefte.
„Ich geh mal
eben nach Anna gucken, wo sie bleibt. Vielleicht benötigt sie ja Hilfe.“
„Soll
ich nicht mitkommen? Ich könnte ja auch was helfen.“
„Nein, nein, das
ist doch nicht nötig. Außerdem bist du ja mein Gast. Wahrscheinlich ist sie ja
auch gleich fertig, ich schau mal nur so für alle Fälle.“
„O.k.“
Anna ist jetzt
schon verdächtig lange mit dem Bereiten des Tees zugange. Eine Viertelstunde,
was treibt sie nur die ganze Zeit?
Sie soll sich
mehr beeilen gefälligst. Schließlich soll sich Giselle nicht festsetzen hier,
ich möchte sie eigentlich so schnell als möglich hinaus komplimentieren wieder.
In der Küche ist
Anna gerade damit beschäftigt, kunstvoll Sahnekleckschen auf Kuchenstücke zu
verteilen. Sie summt dabei vor sich hin. Den Donauwalzer. Komisch.
Der Rest-
Teekanne, Kandiszucker mit Zuckerzange,
ein Kännchen mit Kondensmilch, diese dünnen Tassen nebst den passenden
Untertassen und Kuchentellern für zwei Personen, steht alles schon auf einem
Tablett bereit. Natürlich auch die Löffelchen und Kuchegabeln.
Sie trägt ihre
Serviererinnen- Uniform. Schleife der Zierschütze adrett gebunden über ihrem
kleinen Knackarsch. Appetitlich sieht sie aus, meine Kleine. Nichts fehlt oder
ist in Unordnung, selbst das weiße Kellnerinnen- Krönchen sitzt akkurat im
Haar.
Dennoch
überkommt mich kurz Ärger. Deswegen hat sie so lange gebraucht also, sie hat
sich noch umgekleidet vorhin ohne ausdrücklichen Befehl, statt sich zu sputen.
Dann fällt mir noch rechtzeitig ein, dass es sich dabei ja um eine allgemeine
Anordnung von mir handelt, wie sie Gästen aufzuwarten hat, wenn nicht ein explizit anderslautender Befehl
erging. Im Grunde zeigt das, wie sehr sie sich bemüht, meinen Anordnungen
nachzukommen.
Als sie meine
Gegenwart bemerkt, bricht das Summen abrupt ab. Mit konzentriertem
Gesichtsausdruck, die Zungenspitze zwischen die Lippen geschoben, kleckst sie
weiterhin mit der Sahne rum.
Ich klatsche in
die Hände, mache das „Komm- mal- her“- Zeichen mit dem Zeigefinger.
Gleich kommt sie
folgsam angetrabt, stellt sich einen halben Meter vor mir kerzengerade auf,
Hacken zusammen, die Arme hält sie seitlich nah am Körper. Kopf gerade aus.
Kaut rum auf ihrer Unterlippe.
„Anna !“
„Ja, Herr?
„Stell drei
Gedecke auf´s Tablett. Du ißt mit uns.“
Erstaunte Augen.
„Ja, Herr.“
„Herr?“
Eigentlich ist
unsere Konversation zum Zecke der Befehlserteilung vorbei und sie hat
strenggenommen wieder Redeverbot.
Ich winke sie
wieder heran. Sie stellt sich erneut auf vor mir, in der gleichen Haltung wie
vorhin. Macht ihr Ohrfeigengesicht, weiß
offenbar, dass sie eigentlich gar nichts hätte sagen dürfen.
Nur- diesmal muß
ich es ihr durchgehen lassen. Ohrfeigen klatschen, Giselle könnte es hören.
Auch andere Bestrafungsmethoden, wie zum Beispiel das sehr schmerzhafte Ausreißen
kleiner Haarbüschel in der Schläfengegend, verbieten sich. Das dauert nämlich,
bis man die in der Hand hält, die Haare, vorher muß man recht heftig ziehen und
reißen, weil die Haut in diesem Bereich ein Stück weit mitgeht und die Haare
fest sitzen. Anna jammert jedesmal ziemlich während dieser Prozedur. Also das
geht auch nicht.
Von daher
ignoriere ich ihren Fauxpas.
Stumm starrt sie
mich an, bittend. Öffnet den Mund halb zum Sprechen, es kommt aber kein Laut
über ihre Lippen.
„Nun red schon.“
„Danke, Herr, danke, dass ich reden darf.“
Pause.
„Herr?“
„Ja, was ist denn? Raus mit der Sprache, Giselle wartet auf den Tee.“
Sie drängt sich auf einmal an mich, legt mir leicht die Arme um den Hals, reibt ihren Unterleib rhythmisch gegen mein Glied. Sie tut es sehr konzentriert, schaut mich nicht an dabei. Lernen sie das in ihrem Bauchtanzkurs? Dann ist es direkt schade, dass ich sie da nicht mehr hingehen lassen kann.
Mein Glied versteift sich schnell.
„Herr, die kleine Anna wollte nur sagen, wie sehr leid es ihr tut, dass sie
sich so verspätet hat. Die kleine Anna bittet Sie ganz arg um Entschuldigung
deswegen und bittet um eine milde Strafe. Bitte strafen Sie mich mild, ja? Die
Giselle hat mich um meine Gesellschaft
gebeten, und da habe ich mich nicht getraut „Nein“ zu sagen. Und später kam
dann noch diese Tante von ihr, ich meine in dieses Cafe, in dem wir saßen, und
da mußte ich auch noch bleiben.“
Das klingt zwar
wesentlich plausibler als Giselles Lügenmärchen, aber die Wahrheit ist es
natürlich auch nicht.
Sie umarmt mich
jetzt ganz fest, schmiegt ihre weiche Anna- Wange an meine. „Strafen Sie mich
mild, ja? Vielleicht nur fünf mit der Hundepeitsche, Herr, geht das bitte? Oh
bitte, bitte, biiitte“, bettelt sie. Wendet ihren Kopf, sucht meinen Mund.
Das hatten wir
doch schon mal, ganz zu Anfang, als sie noch neu war in meinem gastlichen Etablisment. Ich dachte,
das hätten wir hinter uns. So kann man sich täuschen. Sieht so aus, als hätten
so gewisse radikale Ansichten über die Freiheit aller Menschenkinder doch
stärker abgefärbt, als es zuerst den Anschein hatte. Oder als sollte mein neuer „peronal advisor
on slave matters“, wie ich ihn so nenne bei mir, recht behalten.
Angstbesetztes Anpassungsverhalten ist eben doch keine echte Unterordnung. Na ja, die Kosten für den Tanzkurs spare ich jetzt ja, noch nicht mal eine Stornogebühr ist fällig nach der ersten Stunde. Sie gilt als Schnupperstunde. Da ist die Differenz zu sechs bis acht Wochen Sklavenschule schon drin, auch wenn selbst diese Summe ein gewaltiges Loch reißt in meine eiserne Finanzreserve.
Ich mache mich
los, schiebe sie vorsichtig weg von mir. Keine Schläge, kein Rumgeschubse heute
abend, mit Giselle nebenan.
„Anna, ich
verspreche dir nur, dass du keine Schläge erhalten wirst für diesmal. Aber
bestraft wirst du. Wenn du mir hilfst, Giselle unauffällig möglichst schnell loszuwerden, wird sie
weniger hart ausfallen, deine Tortur. Bist du damit einverstanden?“
Sie
nickt. „Ja, Herr.“
„Ich möchte
nicht, dass sich meine Methoden rumsprechen, was ich hier in meinen vier Wänden
anstelle mit dir, geht niemand etwas an. Schon gar nicht irgendwelche vorlauten
kleinen Befreiungsaktivistinnen und Anti-Sklaverei-Liga- Sympathisantinnen, verstanden?“
Anna weicht alle
Farbe aus dem Gesicht. Bingo! Sie kann
ja nicht wissen, inwieweit mir
Giselle ihr Herz ausgeschüttet hat im Wohnzimmer.
Gut, ich
meinerseits bin allerdings auch nicht im Bilde darüber, was ihr Anna alles
anvertraut hat über mich während des intimen
Zusammenseins in diesem Cafe.
Mit der Klärung
dieser Frage beschließe ich allerdings
noch zu warten, bis sich Giselle verabschiedet hat, bis ihre Freundin Anna unter der Folter zu völliger Aufrichtigkeit
und Wahrheitsliebe zurückfindet.
Um ganz auf
Nummer Sicher zu gehen, setze ich noch eines drauf, sage mit wölfischem
Lächeln: „Und das ist sie doch, unser kleines Oberschichten- Kind, nicht wahr?“
Anna nickt
eifrig, stotternd sprudeln die Worte nur so raus aus ihr: „Ja, Herr, das ist
sie. Die hat keine Ahnung vom Leben, von Recht und Unrecht, der ist es völlig
egal, was Sie bezahlt haben für mich, der ist das doch gleichgültig, und ich durfte ja nichts sagen dagegen, als
sie solche Reden geschwungen hat, weil das steht mir doch nicht zu als Sklavin,
Herr, einer Freien gegenüber, meine ich, auch wenn ich alles für ganz schrecklich falsch...“
Mit einem
leichten Schlag des Handrückens auf ihren Mund bringe ich ihren Redefluß zum
Schweigen.
Mehr will ich
gar nicht wissen im Moment.
„Gut, wir gehen
jetzt rein. Du wirst dich ganz natürlich benehmen und etwas Konversation machen
mit ihr. Rede über Schach und dass du besser spielst als ich. Stimmt ja auch.
Den Rest überläßt du mir, kapiert?“
„Ja, Herr. Soll
ich sie nicht doch bitten, zu gehen, weil ich mich nicht wohl fühle? Oder weil
ich müde bin? Ich als ihre Freundin...“ , erschrocken hält sie inne, das hat
sie nicht ausplaudern wollen.
„Laß nur, Anna,
ich weiß ohnehin Bescheid. Die ist halt sehr redselig, deine Freundin.“
Anna sinkt
förmlich zusammen in sich, wie eine Marionette, der man die Fäden
durchgeschnitten hat. Läßt den Kopf hängen.
„Herr?“ würgt
sie hervor, tonlos.
„Ja, Anna!“,
herrsche ich sie barsch an, „was ist den JETZT noch?“
„Herr, darf ich
sie nicht bitte doch immer mal wieder sehen gelegentlich. Ich meine, sie könnte
mich doch besuchen kommen und wir reden nur unter ihrer Aufsicht
miteinander....“
Mit einer
Handbewegung schneide ich ihr das Wort ab. Dass da immer noch das Problem wäre
mit unbeaufsichtigten Treffen im
Tanzkurs, dessen endgültiges „Aus“ für sie ich ihr noch nicht mitgeteilt
habe, scheint sie nicht zu bedenken im Moment.
Ich tätschle
ihre Schulter: „Mal sehen, Anna, mal sehen. Ich denke, wir finden schon eine
Lösung. Je mehr du mir jetzt mithilfst, sie schnell loszuwerden heute abend,
aber das überläßt du letztlich mir, machst nur Konversation, um so häufiger
werde ich das auch gestatten.“
Ich greife nur
ungern zu direkten Lügen, hier ist es aber geboten, um das Verfahren abzukürzen
ein wenig.
„Ja, Herr, ich
werde Ihren Befehl befolgen. Entschuldigen Sie bitte meine Impertinenz von
eben.“
Na, die kennt
aber Worte, meine kleine Anna. So was!
Giselle ist immer noch ins Betrachten vertieft, es sieht nicht danach aus, als ob sie sich gefragt hätte, wo wir denn so lange bleiben. Wahrscheinlich hat sie nicht einmal gemerkt, dass wir noch mindestens eine Viertelstunde brauchten, um endlich mit dem Teeservieren zu beginnen. Ich trage das schwerere Tablett mit den Utensilien, Anna eine zweites mit den Kuchenstücken.
„So, da wären
wir. Du hast dich doch hoffentlich nicht gelangweilt. Hat noch gedauert ein bißchen. Anna und ich, wir
haben uns noch verkünstelt mit dem Kuchen, haben so Sahnekleckse drauf gemacht“
Giselle blickt
auf. Ihr Blick bleibt hängen an Annas Aufzug. Sie zieht die Augenbrauen nach
oben. Legt den Bildband weg.
„Nein, ich habe
mich überhaupt nicht gelangweilt. Das ist ein prima Bildband, den Sie da haben,
tolle Reproduktionen. Aber Anna, sag mal, wie läufst DU denn rum?“
Ich weiß jetzt
nicht, worauf sich diese Frage konkret bezieht. Meint sie die Hausmädchentracht
als solche? Aber so ungewöhnlich ist das doch nicht, dass Sklavinnen so was
tragen, ich meine, selbst Zimmermädchen in Hotels tragen sowas, und das sind
Freie.
Oder meint sie
das arg kurze Röckchen?
Anna blickt mich
hilfesuchend an, weiß nicht, was sie sagen soll.
Ich doch auch
nicht, und wenn, könnte ich es ihr doch nicht soufflieren, verdammt noch mal.
Sie soll in Dreiteufelsnamen einfach
reden, wie ihr der Schnabel gewachsen ist.
Giselle kommt
uns zuvor. Schlägt kichernd die Hand vor den Mund, die Augen funkeln fröhlich.
„Ich meine dieses Röckchen, Anna. Da sieht man ja die
Haare auf deiner...., na du weißt schon.“ Sie lacht fröhlich und unbeschwert.
„Anna, Anna, du bist mir vielleicht ´ne Marke. Du wirst deinem alten Herrn noch
völlig den Kopf verdrehen, wirst schon sehen.“ Na, so alt bin ich denn doch wieder auch nicht!
„Wirklich, Sie
sollten es ihr verbieten, das ist ja direkt unanständig“, spricht sie, an mich
gewandt. „Anna, du bist pervers.“
Mit hochrotem
Kopf stellt Anna das Tablett ab, beginnt den Tisch zu decken. Flink hilft ihr Giselle, während ich Tee
einschenke, die Kuchenstücke verteile. Anna will sich extra setzen, auf einen
Sessel, nicht aufs Sofa. Giselle nimmt
einfach ihr Geschirr, stellt es neben ihres.
Wir setzen uns.
„Guten Appetit“,
sage ich.
„Danke,
gleichfalls.“ Giselle.
Anna ist immer
noch puterrot, versuchte im Hinsetzen, ihr Röckchen nach unten zu zerren ein
wenig, natürlich vergebens.
Gutgelaunt stößt
Giselle Anna an. „He, war doch nicht so gemeint eben. Ich weiß doch, dass du
ein wenig, na sagen wir mal, frühreif bist.“
Anna beißt die
Lippen zusammen, wird noch röter, Tränen kullern über ihre Wangen. Giselle ist
so perplex, dass sie die Kuchengabel fallen läßt. Sie nimmt Anna in die Arme,
drückt sie fest an sich. Gibt ihr einen dicken Kuß auf die Wange.
„Du, ich
entschuldige mich bei dir. Tausend Mal. Sag, was ich tun soll, damit du mir
verzeihst. Ich tu´s, hundertprozentig!.“
Da Anna immer
stärker weint, in sich zusammengesunken, wird Giselle immer aufgeregter,
rüttelt Anna sacht bei den Schultern. „Hey, Anna, ich sag doch, dass es mir
total leid tut. So total wie noch nie was in meinem Leben. Echt hey. Ich hätte
das nie sagen dürfen, was ich eben gesagt habe, schon gar nicht in Gegenwart
deines Herrn.“ Anna gibt ihr keine Antwort, wird von Schluchzern geschüttelt.
Verzweifelt
blickt Giselle auf mich.
„Bitte, Sie
müssen wissen, dass ich von Anna eine total hohe Meinung habe, ich wollte doch
nur rumflachsen eben. Bitte sagen Sie ihr doch, dass Sie nie geglaubt hätten,
ich hätte das ernst gemeint.“
„Giselle, ich
möchte, dass du jetzt gehst“, stößt Anna auf einmal hervor.
„Was? Aber Anna,
wir sind doch Freundinnen. Du, ich hab dich so total lieb, als ob wir uns schon
mindestens tausend Jahre kennen würden.
Und nicht erst ein paar Stunden. Anna, ich werde meinem Vater sagen,
dass er dich kaufen soll für mich. Egal, was dein Herr verlangt, mein Vater
wird dich kaufen. Wir haben das Geld, Anna, bitte glaube mir, und dann lasse ich
dich frei, Anna.
Ich lasse dich
frei, hundertprozentig! Aber bitte schick mich nicht so weg jetzt, sag, dass du
mir vergibst. Bitte!“
Na, bei diesem
Verkauf Annas, da habe ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden. Soviel
Geld hat dein Vater gar nicht, als dass er mir das Vergnügen, dass mir Annas
Degradierung auf einen subhumanen Status noch bereiten wird, abkaufen kann.
Außerdem, er
wird die sentimentalen Überspanntheiten seines Töchterchens zwar sicherlich mit
väterlichem Wohlwollen betrachten, aber ihr jeden Tag für teures Geld eine neue
Sklavin zu kaufen, die einen Tag später als freier Mensch aus dem Haus
spaziert, das dürfte selbst den reichsten Mann in den Ruin treiben auf Dauer.
Das alles behalte ich selbstverständlich für mich feinstill.
Anna wird
ruhiger, macht sich frei aus Giselles Umarmung. Diese sitzt neben ihr, und wenn
je ein Mensch todtraurig und von tiefer Reue erfüllt dreingeguckt hat, dann
sie.
„Giselle“,
bringt Anna hervor, in einem hohen Diskant. „Du verstehst einfach nicht. Ich
bin eine Sklavin, SEINE Sklavin.“ Deutet auf mich. „Selbst wenn dein Vater mich kaufen wollte,
aber warum sollte er das tun, überleg doch mal, du spazierst da zuhause rein
und sagst, he, kauft mir eine, ich möchte sie freilassen....“ Sie schüttelt nur
den Kopf, schnieft. Giselle reicht ihr ein Taschentuch. Anna schneuzt sich.
„Anna, er wird
dich kaufen. Wenn er mir das abschlägt, bin ich nicht mehr seine Tochter.“
„Träum weiter“,
denke ich, „du hast sehr viel zu verlieren. Und dein Daddy ist mit Sicherheit
auch nicht reich geworden durch karitative Werke.“
„Träum weiter,
Giselle“, vernehme ich Annas Stimme, „aber bedenke: du hast Einiges zu verlieren. Würdest du wirklich bis zur letzten
Konsequenz gehen wegen mir? Frage dich das selbst, Giselle. Und dein Vater, der
wird sein Geld auch nicht verschleudern, denke ich“
„So, du denkst,
das ist nur so eine Laune von mir, die Laune eines reichen Görs, das ist es
doch, was du denkst, oder? Dass mir Geld wichtiger wäre als Freundschaft. Wenn
du so wenig von mir hältst, also dann weiß ich auch nicht...“
Das Ende einer
schönen Freundschaft, schmunzle ich zufrieden in mich hinein.
Anna hält sich
die Ohren zu.
„Giselle, du
kapierst einfach gar nichts. Ich habe nur zwei Menschen lieb gehabt in meinem
Leben. Einer davon war meine Mutter. Meinen Vater habe ich fast nie gesehen,
mein Herr hat ihn fast ständig ausgeliehen an seinen Bruder, damit er
ungestörter meine Mutter pimpern konnte. Und der wollte sowieso nichts von mir
wissen, hat mir mal gesagt, er hätte mich zeugen müssen, weil es ihm befohlen
wurde. Und als ich fünfzehn war, wurde er sowieso verkauft.
Und der zweite
Mensch, Giselle, den ich echt liebhabe, das bist du, Giselle. Ich schwör´s, bei
allem was mir heilig ist. Als ob du
meine Schwester wärst. Glaub mir´s, ja?“
Giselle machte
den Mund auf, wollte was sagen.
Nun, das war ja
psychologisch alles sehr interessant, was ich da an authentischem Material zu
hören bekam. Die beiden schienen meine Anwesenheit völlig vergessen zu haben.
Recht so, sprecht euch aus.
„Nein, Giselle,
laß mich ausreden, bitte, ja? Ich bin doch überhaupt nicht sauer mit dir,
kapier das doch, da gibt´s nichts zu verzeihen.
Sicher, deine Bemerkungen waren jetzt nicht so taktvoll, aber was
soll´s! Das geht mir doch am Arsch vorbei, also da habe ich schon Schlimmeres
ausgehalten, glaub´s nur.“
„Ich weiß“,
dachte ich, „aber wart´s mal ab, was noch alles kommt.“
„Nein, Giselle,
es ist wegen ihm.“ Sie deutete auf mich, warf mir einen Blick flammenden Hasses
zu.
„Nur weiter so,
ich mag es, wenn ihr so richtig in Wallung geratet“, grinste ich in mich
hinein.
„Das Schwein
will mich fertigmachen und er wird es auch schaffen. Der verkauft mich auch
nie, nicht für eine Million Euro. Dazu hat er viel zu viel Vergnügen daran,
mich ganz langsam zu erledigen. Er ist kein Mensch, Giselle, er sieht nur so
aus wie einer.“ Erschöpft brach Anna ab.
Verwirrt schaute
Giselle zu mir. „Ja, sind Sie denn wirklich so ein böser Mensch?“, fragte sie
mich ratlos. Verzweifelt heulte Anna auf, barg ihren Kopf in den Armen. Ließ
sich seitlich aufs Sofa fallen, mit angezogenen Beinen. Als sei sie ein Kind,
das sich zurück wünscht in den Mutterleib. Ihr ganzer Körper bebte wieder vor
Schluchzen.
Statt einer
Antwort berührte ich Giselle leicht am Arm.
„Tut mir leid,
dass das jetzt alles so geendet hat“, sprach ich leise. „Aber ich möchte dich
bitten, jetzt zu gehen. Du siehst, Anna geht es nicht gut.“
„Ja,
aber gibt es denn nichts, was ich noch tun könnte?“
„Nein, ich
glaube nicht. Sie braucht jetzt Ruhe. Und ich bin ja da und kümmere mich um
sie. Sie wird die Nacht an einem ruhigen Ort verbringen, glaube mir, und morgen
werde ich mich mal ganz lange
unterhalten mit ihr.“
„Ja, aber warum
sagt sie denn all diese häßlichen Sachen über Sie?“, wisperte sie verzweifelt.
„Ich glaube, ihr
Vorbesitzer, dass war sicherlich ein ziemlicher Teufel. Ich habe ihn ja
kennengelernt, bei den Verkaufsverhandlungen. Ein Kind weg zu verkaufen, einem
Kind seine Mutter wegzunehmen, das mußt du dir mal vorstellen. Er wollte sie
partout loshaben, hat sie vergewaltigt, seit sie dreizehn war, unglaublich! Aber bitte, sie
ist ja „nur“ eine Sklavin, da ist das ja legal“, schnaubte ich mit gut
gespielter Empörung. („Mein Gott, an dir ist ein großer Mime verloren gegangen“,
schmeichelte ich mir in Gedanken)
„Wahrscheinlich
wurde sie zu alt für seine Zwecke“, fuhr ich fort. „Er konnte sie nicht mehr
gebrauchen. Ich habe noch versucht, Annas Mutter mit zu erwerben, obwohl ich auch nicht so
wohlhabend bin, weißt du, aber da war nichts zu machen. Sie soll mir noch ein
Neues werfen, das waren seine Worte. Da habe ich wenigstens Anna gerettet, er
hätte sie vielleicht sogar umgebracht, wer weiß? Diesen Perversen ist allerhand
zuzutrauen.“
„Ja, das hat mir
Anna erzählt, sie hat was erzählt von einer Vergewaltigung, aber nur von einer.
Und sonst wäre das ein guter Herr gewesen.“
„Giselle, hast
du schon mal was von Verdrängung und Übertragung gehört?“, fragte ich sie. „Das
sind Begriffe aus der Psychologie.“
„Ja“,
meinte sie. „Ich weiß aber nicht genau, was das ist.“
Ich schielte
rüber zu Anna. Sie war immer noch in ihrer fötalen Haltung, atmete ruhig, schlief den Schlaf völliger
seelischer Erschöpfung . Heute würde es wohl nichts mehr werden, sie würde die
Nacht tatsächlich hier an diesem ruhigen Ort verbringen.
Ich stand auf,
deckte sie fürsorglich zu mit einer Decke. Nachher, wenn Giselle weg war,
bekäme sie auch noch Fußeisen.
„Also gut, ich
will versuchen, es dir zu erklären. Ihr Herr war seelisch ihr Vater für sie,
ihr richtiger hat sie ja abgelehnt, wie sie uns mitgeteilt hat.“ „Ja, stimmt.“
„Also, der war
aber auch sehr grausam zu ihr. Hat sie vergewaltigt und was er sonst noch mit
ihr angestellt hat, wissen wir nicht. Oder hat sie dir was erzählt?“ Giselle
schüttelte den Kopf.
„Weil sie aber
dringend einen Vater gebraucht hat, mußte sie das so gut als möglich
verdrängen, indem sie ihn idealisierte, wie´s halt nur ging. Verdrängtes will
aber immer nach oben, der Druck dieses Unmenschen, der für sie der Vater war
seelisch, war aber zu stark.
Jetzt ist sie bei
mir. Sie möchte den Vaterersatz, so nenne ich ihn mal, aber weiterhin behalten.
Also stattete sie MICH ein Stück weit mit den verdrängten Eigenschaften aus.
Das nennt man Übertragung. Und weil ich halt nie eigene Kinder hatte, konnte
ich nicht so gut umgehen damit anfangs, habe verletzt reagiert. Deswegen bin
ICH jetzt mehr oder minder der Unmensch für sie , der eigentlich ihr
Vorbesitzer ist. Aber jetzt habe ich das ziemlich gut durchschaut, was sich da
abspielte, und versuche, meine Fehler wieder gut zu machen, nicht mehr verletzt
zu reagieren und Vertrauen aufzubauen bei ihr. Aber das ist natürlich ein
langwieriger Prozeß, wenn man so viel hinter sich hat wie Anna.“
Das schien
Giselle alles einzuleuchten, mit warmen und dankbaren Augen blickte sie mich
an, während ihre kleine Freundin auf dem Sofa ruhig schlief. Der Sturm hatte sich gelegt.
Ich gab ihr noch
meine Telefonnummer, das heißt meine alte, zur Sicherheit noch mit einem
Zahlendreher drin, jedoch mit meiner jetzigen
Vorwahl. Falls es da mal irgendwie noch
Ärger oder Rückfragen geben sollte deswegen, konnte ich mich auf
Zerstreutheit herausreden und meinen kürzlichen Umzug mit Wechsel der
Telefonnummer. Darüber schrieb ich: „Annas Herr“, um meine Anonymität zu
wahren.
Giselle las den
Zettel.
„Danke“, sagte
sie. „Ich kenne ihren Namen selbstverständlich. Anna hat ihn mir gesagt.“ Und
unter „Annas Herr“ schrieb sie den Namen auf dem Klingelschild. Den des verblichenen Vorbesitzers dieses
Anwesens, den der grüne Rasen deckt.
Unter dem
ich auch die Rechnungsstellung telefonisch vereinbart hatte für die Waren,
die Anna besorgen mußte für mich. (War
kein Problem, die Postanschrift stimmte.) Arme kleine Närrin Anna. Da war ich
doch schlauer gewesen als sie.
Das war
natürlich alles kein wirklicher Schutz davor, dass Giselle oder ihre Familie
nicht doch rankamen an mich, wenn sie es
darauf anlegten. Es war nicht gerade eine Geheimdienstoperation, was ich da
abzog. Aber es würde die Sache doch erschweren. Und ich wünschte von dieser
Seite aus keine Belästigung mehr, falls es sich vermeiden ließe.
Giselle würde ihr Leben weiter leben, vielleicht wusch ihr ja auch ihr Vater oder sonst ein verantwortungsbewußter Mensch in ihrer Familie mal ordentlich den Kopf, wenn sie anfing mit ihrer „Anna“- Heulgeschichte.
Wenn sich dann
beim Versuch einer Kontaktaufnahme erst mal scheinbar unüberwindliche
Schwierigkeiten ergaben, würde sie es bald aufstecken. Hoffte ich zumindest.
Nach dem
vorsichtigen Anlegen der Fußfesseln, während dem sie zwar ein paarmal zuckte,
aber nicht erwachte; einmal murmelte sie: „Mama, hör auf. Nicht kitzeln“,
schaltete ich noch mal den Compi ein und checkte die Mails.
Es befand sich
eine darunter von meinem „personal advisor“, mit ein paar der versprochenen
Tips. Ich druckte sie gleich aus, dann legte auch ich mich zu Bett.
Am Morgen erwachte ich früh, fühlte mich frisch und ausgeruht, hatte Hunger und Kaffeedurst. War aber auch ein anregender Abend gewesen gestern. Das Leben schrieb doch die besten Geschichten. Solche Dialoge- einfach unbezahlbar! Sowas kriegt kein Autor hin, höchstens ein sehr guter. (Anmerkung des Verfassers: verstecktes Eigenlob.)
Es gibt so Tage, die beginnen dermaßen perfekt, dass nichts ihren Verlauf trüben wird. Passend dazu zwitscherten die Vögel laut, hier draußen gibt es jeden Morgen ein Frühkonzert durch Mutter Natur in den warmen Jahreszeiten, nicht so wie in der Stadt, wo man höchstens mal eine Amsel pfeifen hört. Oder das Tschilpen von Spatzen, die sich irgendwo unsichtbar streiten um ein paar Brotkrumen.
Passend dazu lugte schon die Sonne durch die Ritzen der Fensterläden (jawohl, das ist so ein richtig altmodisches Haus, das ich geerbt habe, mit grünen Fensterläden statt so langweiliger grauer Jalousien), malte dünne leuchtende Streifen auf den Teppich. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden. Man sollte ihn am Baggersee verbringen und nicht im fensterlosen Folterkeller!
Beschwingt stand ich auf, fuhr in meine ledernen Hauspantoffeln, schlüpfte in meinen Morgenrock.
Ging pfeifend ins Wohnzimmer, schlug spielerisch die Hundepeitsche im Takt dazu.
Dort war Anna auch schon aufgewacht, saß auf dem Sofa, vornübergebeugt, die verschränkten Arme fest gegen den Leib gepreßt.
„Guten Morgen, Anna. Hast du gut geschlafen auf dem Sofa?“
Sie nahm keine Kenntnis von mir, erwiderte meinen Morgengruß nicht, blieb einfach so sitzen, wie sie war, in ihrer zerknautschten Kellnerinnen- Uniform, die Haare wirr, das Zier-„Krönchen“ schief auf dem Kopf.
Vorsichtig, um sie ja nicht zu erschrecken, legte ich die Hundepeitsche auf den Tisch, ließ mich neben sie gleiten auf das Sofa, legte sacht einen Arm um ihre Schultern, rüttelte sie leicht, so wie Giselle das gestern getan hatte.
„He, Anna, ich habe dir einen guten Morgen gewünscht. Schau mal, die Sonne lacht, und du guckst so finster.“ Ihr damaliger Gesichtsausdruck kann nämlich nicht anders als als „verstört“ bezeichnet werden.
Erst reagierte sie wieder nicht, warf sich mir dann mit einem plötzlichen Aufheulen an den Hals.
„Oh Herr, ich bin ein böses Sklavenmädchen, ein böses Sklavenmädchen, und jetzt komme ich in das Sklavengefängnis, das Sklavengefängnis....“
Sie war in eine Art Singsang geraten, sprach ohnehin mehr zu sich selbst als zu mir.
Sie verschränkte ihre Arme wieder vor der Brust, wiegte den Oberkörper leicht hin und her. „Ins Sklavengefängnis, Sklavengefängnis....“
„Anna, jetzt hör mal...“
Keine Reaktion, immerhin hörte sie auf mit dem Singsang, saß auch wieder still da. Schaute geradeaus.
Ich faßte sie unters Kinn mit zwei Fingern, dreht ihren Kopf langsam zu mir. Nicht gewaltsam, nein, im Gegenteil- eher zärtlich fast.
„Anna. Dir ging es nicht gut gestern abend. Wir reden nicht mehr drüber, ja? Kein Mensch will dich ins Sklavengefängnis stecken deswegen, o.k.?“
Das hätte mir gerade noch gefehlt. Dort würden sie sie mir ja hin machen, und ich war jetzt fest entschlossen, den durch meinen Freund und Ratgeber, meinen „personal advisor“, Ihr wißt schon, vorgegebenen Weg zu gehen.
Unglauben in ihren Augen. Sie glaubte mir kein Wort mehr. Na ja, verständlich, aber sie würde schon noch merken, dass ich die Wahrheit sprach diesmal.
„Anna, ich meine es ernst. Du kommst nicht ins Sklavengefängnis. Ehrlich nicht. Ich schwör´s!“ Zwinkerte ihr zu. „Es war nur ein böser Traum gestern abend, jetzt ist Morgen, die Sonne scheint und hat ihn vertrieben.“
Da wurde sie mit einem Mal wieder ganz vertrauensselig, kuschelte sich mit einem Aufseufzen lächelnd an mich.
„Was soll ich zuerst machen, Herr? Ihnen einen blasen oder das Frühstück bereiten? Oder wollen Sie mich vielleicht in den Arsch ficken danach? Soll ich mir die Rosette einfetten schon mal?“
„Anna, jetzt kämmst du dich erst mal, und zieh auch dieses zeknautschte Ding aus.“ Ich wies auf ihr Outfit, in dem sie ja geschlafen hatte. „Du streifst dir einfach deinen Bademantel über, wir frühstücken dann erst mal und zwar gemeinsam. o.k.?“
„Ja, Herr.“
Behende sprang sie auf, wollte schon losstürmen. Ich konnte sie gerade noch festhalten an einer Hand. Sie wäre sicher gestürzt, es war ihr offenbar entfallen, dass sie noch die Fußeisen trug. Oder sie hatte es noch gar nicht bemerkt.
„Halt, halt, Anna, nicht so hastig. Warte. Ich muß doch erst noch diese Dinger aufschließen.“ Zog den Schlüssel aus der Tasche meines Morgenmantels.
Kapitel 38
Das Frühstück verlief harmonisch, Anna war mit meiner Erlaubnis sogar in den Garten hinausgehuscht, um ein paar Blumen abzuschneiden.
Die standen jetzt in einer Glasvase auf dem Frühstückstisch und leuchteten gelb.
Anna hatte auch Redeerlaubnis, von der machte sie aber nicht viel Gebrauch; um mich immer wieder verliebt anzustrahlen, dafür brauchte sie ihren Mund nicht. Nur ihre Augen.
Den Mund benötigte sie ohnehin, um sich mit gutem Appetit große Mengen reinzuschaufeln. Sie nahm schon zum dritten Mal nach vom Müsli. Sollte sie. Die nächsten zwei bis drei Tage würden ja echt hart werden für sie, da konnte eine „Grundlage“ nicht schaden.
Während der Folter essen- das geht schon deswegen schlecht, weil da der Magen nichts annimmt in der Regel. Im Gegenteil, die kotzen alles Unverdaute dann wieder hoch meist ab einem bestimmten Zeitpunkt. Auch so ein unverzichtbarer Hinweis von meinem persönlichen Ratgeber.
Das hieße also, ich könnte diesen herrlichen Tag getrost noch am Baggersee verbringen, während ich Anna im Haus beschäftigen wollte. Sie bekäme Eßverbot, dann wäre bis zum Abend alles durchgeflutscht in den unteren Teil des Vedauungstrakts. „Sie muß sich ja nicht ankotzen unbedingt,“ dachte ich mir, „oder am End gar noch mich!“
Ich überlegte, ob ich ihr zur seelischen „Abschreckung“ (so wie man Eier abschreckt!) nicht gleich reinen Wein einschenken sollte über meine finsteren Pläne, entschied mich denn doch dagegen. So stabil war sie erstens noch nicht und zweitens hatte sie fast schon so was wie ein moralisches Anrecht auf einen unbeschwerten Tag vor ihrer ersten echten Folterung. Ich wischte mir den Mund ab mit der Serviette.
„Anna!“
„Ja, Herr?“
„Ich gehe heute an den Baggersee und bin so um sieben wieder zurück. Mach hier inzwischen alles picobello sauber, alles außer dem Folterkeller, hörst du?“ Im Folterkeller, da warteten ja ihre Überraschungen. „Und Abendbrot steht auch auf dem Tisch, aber pünktlich, verstanden?“
„Ja, Herr.“
Sie begann den Frühstückstisch abzuräumen.
Während ich meine Schwimmsachen zusammenpackte, hörte ich sie glücklich und zufrieden vor sich hinträllern, dieweil das Geschirr leise in der Spüle klirrte.
Ich streckte noch mal den Kopf in die Küche, bevor ich ging.
„Ach ja, Anna, bevor ich es vergesse. Eßverbot für den Rest des Tages, gell? Nicht dass du mir zu fett wirst.“
Demütig gesenktes Haupt über dem Schmutzgeschirr.
Leise Stimme.
„Ja, Herr. Verzeihung, dass ich so viel gegessen habe.“
Kapitel 39
Abends holte ich dann nach, was ich am Morgen noch aufgeschoben hatte. Ihr reinen Wein einschenken.
Sie wartete mir mustergültig auf während des Essens, nackt, nur im Höschen, wie ich es befahl. Als ich fertig war, wollte sie wieder abräumen. Ich ergriff sie bei beiden Handgelenken, hinderte sie daran.
„Anna, setz dich. Ich habe mit dir zu reden.“
Gehorsam setzte sie sich auf ihren Allerwertesten, mir gegenüber.
„Anna, ich habe dir versprochen, dass dein gestriger Ausbruch keine Folgen nach sich ziehen wird und dabei bleibt es.“
Sie deutete auf ihren Mund, ob sie sprechen dürfe.
„Sprich schon. Du hast Redeerlaubnis.“
„Danke, Herr, vielen Dank. Danke, dass Sie mir eine solche Gnade gewähren. Danke, lieber Herr.“
„Aber dein einstündiges Zuspätkommen gestern, das lasse ich dir nicht durchgehen.“
Sie erschrak. In ihrer grenzenlosen Erleichterung darüber, nicht ins Sklavengefängnis zu müssen, war das wohl völlig in den Hintergrund getreten.
„Geh in den Folterkeller, Anna.“
Sie war totenblaß.
„Aber, lieber Herr“, hauchte sie, „Sie haben mir doch versprochen, mich nicht zu prügeln.“
Kuck mal an, daran erinnerte sie sich also noch.
„Mal abgesehen davon, dass das strenggenommen für gestern galt, Anna, werde ich dich auch tatsächlich nicht prügeln. Und jetzt geh, sonst bekommst du doch noch zehn mit dem Ochsenziemer wegen versuchter Befehlsverweigerung.“
Sie stand auf, mußte sich mit beiden Händen an der Tischplatte abzustützen, um hochzukommen überhaupt.
Schlich in Richtung Folterkeller.
„Etwas schneller gefälligst, wenn´s geht.“
„Ja, Herr. Und Entschuldigung, dass ich so langsam gegangen bin.“